Mut zur Bezahlschranke wird honoriert

Während es in Deutschland immer noch viel Skepsis gibt, ob die Leser Bezahlschranken im Online-Journalismus akzeptieren, und jüngst der neue Spiegel-Chefredakteur Wolfgang Büchner entschied, dass Spiegel Online kostenlos bleibt, schreiben einige US-Verlage Erfolgsstorys mit ihren Paywalls. Allen voran das Flaggschiff der Zeitungsbranche, die New York Times. Dort haben im dritten Quartal erstmals die Einnahmen aus dem Angebot hinter der Bezahlschranke ($37,7 Millionen) die aus dem digitalen Anzeigengeschäft ($32,9 Millionen) übertroffen. Dabei ist der zusätzliche Umsatz mit der gedruckten Ausgabe nicht einmal enthalten, auf die Leser zurückgreifen, wenn sie nicht mehr alle Artikel online gratis abrufen können.

Eine Unmenge von Journalismus-Konferenzen und Thesenpapieren beschäftigen sich seit Jahren mit der kontroversen Frage, ob Bezahlschranken wirtschaftlich funktionieren können. Dabei haben beide Seiten gute Argumente. Ein Knackpunkt ist sicherlich die Frage, wie viele Verlage für ihre journalistischen Angebote künftig Geld verlangen. Je mehr sich dazu entschließen, desto einfacher wird die Durchsetzung im Markt sein. Ein simpler Vergleich: Wenn eine Kneipe Freibier anbietet, ist es für die Nachbarkneipe schwierig, den Gerstensaft nur gegen Bezahlung auszuschenken.

Bei allen Bedenken, ob die einmal eingeführte Gratis-Kultur im Online-Journalismus wieder zurückgedrängt werden kann, halte ich folgende Überlegung für stichhaltig. Seit ca. 15 Jahren hoffen die Verleger darauf, langfristig mit digitalen Anzeigen und Kooperationen mit anderen Plattformen Gewinne zu erzielen. Tatsächlich schreiben nach wie vor die meisten Online-Medien rote Zahlen. Ich kenne keine andere Branche, die so hartnäckig auf ein offensichtlich nicht funktionierendes Geschäftsmodell setzt. Insofern möchte man den Verlegern und ihren Managern zurufen: „Traut euch, endlich etwas Neues auszuprobieren! Traut euch, von euren Kunden Geld für euer gutes Angebot zu verlangen!“ Qualität kostet, in den Medien ebenso wie in allen anderen Branchen. Mit Gratis- oder Billig-Journalismus ist letztlich niemandem gedient, weder den Medien noch der Gesellschaft (näher dazu siehe mein Blogpost Journalistische Pferdelasagne).

Dürftige Zwischenbilanz der deutschen Huffington Post

Vor über vier Wochen ist die deutsche Ausgabe der Huffington Post mit viel Brimborium an den Start gegangen. Angesichts des großen Erfolgs der amerikanischen Mutter erwarteten manche Auguren des Online-Journalismus ähnlich Bahnbrechendes für die hiesige Medienlandschaft. Vergessen wurde dabei oft, warum die Huffington Post in den USA so stark punkten konnte. Sie füllte nämlich im linksliberalen Spektrum eine Lücke, die insbesondere die New York Times aufgetan hatte. Das Flagschiff der US-Zeitungsflotte hatte vor und während des Irak-Kriegs zu lange vor der Bush-Regierung gekuscht, was sie im Nachhinein selbstkritisch bedauerte. Doch da waren viele Leser schon zur HuffPo und vielen Blogs abgewandert.

Mehr als ein Monat nach dem Start lud der Journalistenverband Berlin-Brandenburg nun den Herausgeber der deutschen Huffington Post, Cherno Jobatey, als Gast auf seine jährliche Mitgliederversammlung. Jobatey, bekannt geworden als ZDF- und ARD-Moderator, präsentierte in einem Vortrag Arianna Huffingtons deutsches Baby (so nennt sie die Ausgaben ihrer Plattform außerhalb der USA) und betonte, wie sehr sie mit ihrem Konzept die Zukunft des Journalismus verstanden hätte – ganz im Gegensatz zu vielen rückwärts gewandt denkenden Journalisten und ihres Verbands. Er redete viel über die hippe Arbeitskultur in amerikanischen Großraumbüros, über die schönen Seiten des Zeitdrucks im Online-Journalismus und wie wichtig Suchmaschinenoptimierung ist und sein sollte. Mir drängte sich dabei die unwesentliche Frage auf, welche journalistischen Leistungen im Sinne von Rechercheergebnissen denn die deutsche Huffington Post vorzuweisen habe und fragte Jobatey danach. Seine Antwort: Die Vermutung, dass Frank-Walter Steinmeier wieder Außenminister der großen Koalition würde, wäre nach der Wahl nur von der HuffPo geäußert worden. Wenn nach über einem Monat ein 15-köpfiges Redaktionsteam laut der Darstellung ihres Herausgebers nicht mehr herausgefunden hat, was nicht schon auf anderen Medien-Sites stand, ist das reichlich dürftig.

Jobatey bekam auf der Versammlung viele kritische Fragen von den Journalisten zu hören. Das war kaum verwunderlich, denn die Tatsache, dass die Huffington Post auch freien Journalisten für ihre Beiträge kein Honorar bezahlt, hatte in der Branche für breite Ablehnung gesorgt. Pointiert gesagt: Im Manchester-Kapitalismus wurden im Unterschied zur ach so hippen Arbeitswelt 2.0 zumindest Hungerlöhne gezahlt… Jobatey beteuerte, dass zumindest die Redakteure der in Zusammenarbeit mit der Burda-Tochter Tomorrow Focus betriebenen Plattform nach Zeitungstarif entlohnt würden. Für Arianna Huffington hat sich ihr Geschäftsmodell jedenfalls bezahlt gemacht: Sie verkaufte 2011 ihre HuffPo für 315 Millionen Dollar an AOL und wurde zur Millionärin. Ihre Autoren erhielten keinen Cent davon.