Die liebste Wahl der Medien: die Kampfabstimmung

Kampfabstimmungen über Kampfabstimmungen. Egal ob es wie jüngst um die Spitzenkandidatur der Grünen für die Europawahl ging oder um den Leitantrag zum Europawahlprogramm der Linkspartei (in diesem Fall wurde letztlich gar nicht kämpferisch abgestimmt), der martialisch anmutende Terminus erfreut sich in den Medien inflationärer Beliebtheit. Dabei muss es nicht um das Wohl und Wehe Europas gehen, nein, auch der Murnauer Gemeinderat steuert in der strittigen Frage, ob der Kemmelpark noch mehr Einzelhandel verträgt, auf eine Kampfabstimmung zu. Im gemeinhin friedlichen Tegernseer Land hingegen sorgte selbige bereits für die Entscheidung. Der Gmunder Gemeinderat favorisierte nämlich bei der Namenswahl für eine neue Straße „Am Hoffeld“. „Am Obstgarten“ unterlag in diesem Kampf.

Nun, warum Aufhebens machen wegen eines einzelnen Wortes? Wikipedia bringt es auf den Punkt: „Auch wenn Abstimmungen in einer Demokratie das übliche Mittel der Entscheidungsfindung sind, sind Kampfabstimmungen in Parteien die Ausnahme. … Eine Partei, die in inhaltlichen Fragen tief gespalten ist, ist im Parteienwettbewerb benachteiligt. In der Öffentlichkeit werden Kampfabstimmungen imageschädigend als Zeichen der Zerstrittenheit gewertet.“ Und darin liegt das Problem des Begriffs: Er suggeriert Zwist und Streit (deswegen verwenden ihn Journalisten ja so gerne), was beim konsens- und harmoniesüchtigen deutschen Wähler schlecht ankommt, für den die Geschlossenheit einer Partei ein sehr hohes Gut ist. Parteien, die vor einer Wahl über Inhalte und Führungspersonal kontrovers diskutieren, werden in Deutschland in aller Regel an der Urne abgestraft. Ein solch einseitiges Demokratieverständnis ist zumindest problematisch, denn unterschiedliche Meinungen, die sich in Voten widerspiegeln, gehören zum Wesen der Demokratie und sind das Salz in der Suppe. Dabei unterscheidet sich die Kampfabstimmung von der allgemeinen Abstimmung lediglich dadurch, dass der Ausgang offen ist. Und so etwas soll selbst in einer gut durchorganisierten Parteiendemokratie gelegentlich vorkommen.